Länge und Funktion - Das Kurzdarmsyndrom verstehen

Das Kurzdarmsyndrom hat Ihr Leben oder das Leben eines Angehörigen möglicherweise vollkommen auf den Kopf gestellt. Oftmals werden Betroffene in ihrem Alltag mit vielen Hürden konfrontiert. Neben den körperlichen Symptomen des Kurzdarmsyndroms können auch die zeitintensive Therapie und die sozialen Herausforderungen das Leben einschränken. Informieren Sie sich über Ihr Krankheitsbild und verstehen Sie so besser, was genau in Ihrem Körper vorgeht. Wissen hilft, Ihre Erkrankung zu akzeptieren und Ihr Leben mit dem Kurzdarmsyndrom bestmöglich zu gestalten.

Was ist das Kurzdarmsyndrom eigentlich?

Das Kurzdarmsyndrom (kurz KDS) ist eine seltene Erkrankung. Schätzungen zufolge sind 34 von einer Million Menschen in Deutschland davon betroffen. Was sich hinter dem Kurzdarmsyndrom verbirgt, verrät schon der Begriff – ein verkürzter Darm. KDS umfasst einen ganzen Symptomkomplex. Es entsteht in der Regel, wenn Abschnitte des Darms chirurgisch entfernt werden mussten und daraufhin die Verdauung und die Aufnahme von Nährstoffen und Flüssigkeit nicht mehr ausreichend funktionieren. In einem solchen Fall wird auch von einem Darmversagen gesprochen, da der Darm seine Funktionen nicht länger aufrechterhalten kann.

Die unterschiedlichen Laengen der Därme werden gezeigt, sodass erkennbar ist, wie ein Dünndarm aussieht und wie er sich verändert, wenn er operativ gekürzt wurde.

Der Dünndarm besteht aus mehreren Teilen, die als Team zusammenarbeiten. Sie erfüllen unterschiedliche Funktionen und nehmen verschiedene, teils aber auch dieselben Nahrungsbestandteile auf. Die Ileozökalklappe beispielsweise sorgt in einem gesunden Darm dafür, dass bakterienreiche Nahrungsreste aus dem Dickdarm nicht zurück in den keimarmen (oder sterilen) Krummdarm fließen.

Fehlt die sogenannte Bauhinsche Klappe, oder ist sie entzündet, können sich Keime im Krummdarm ansiedeln und Beschwerden auslösen. Wenn ein Stück des Darms fehlt, wie beim Kurzdarmsyndrom, können die verbliebenen Abschnitte mitunter die Aufgaben des fehlenden Teils übernehmen. Andere Darmabschnitte sind auf bestimmte Aufgaben spezialisiert. Musste ein spezialisierter Teil chirurgisch entfernt werden, ist es notwendig, Nährstoffe, die die restlichen Darmabschnitte nicht aus den Nahrungsbestandteilen aufnehmen können, von außen zuzuführen.

Etwa die Hälfte des Dünndarms kann meist ohne langfristige Folgen entfernt werden. Dies ist allerdings von Situation zu Situation unterschiedlich. Wichtig ist, ob der verbliebene Darm nach der Operation weiter ausreichend Nährstoffe, Flüssigkeit und Mineralien aufnimmt.

Eine gezeichnete Abbildung eines Darmes samt Erlaeuterungen.

Die Definition des Kurzdarmsyndroms: Länge + Funktion

Die Darmfunktion spielt in der heutigen Medizin auch bei der Definition des Kurzdarmsyndroms eine wichtige Rolle. Das heißt, es wird betrachtet, ob die verbliebenen Darmabschnitte ausreichend Nährstoffe aufnehmen und wie gut die Verdauung funktioniert. Die Lebenserwartung Betroffener mit einem KDS hängt maßgeblich von mehreren Faktoren ab. Auf der einen Seite ist die Nährstoffaufnahme des verbliebenen Darms wichtig: Wie gut wird der Körper mit allen notwendigen Nährstoffen, Flüssigkeit und Mineralien versorgt? Zusätzlich spielt eine Rolle, ob eine parenterale Ernährung notwendig ist oder ob die Ernährung der Patientin oder des Patienten enteral per Sondennahrung oder oral erfolgen kann. Auf der anderen Seite beeinflusst auch die Ursache des Kurzdarmsyndroms und die Anatomie des Restdarms die Prognose und Lebensqualität der Betroffenen.

Früher wurde bei einem KDS nur auf die Länge des Darms geschaut. War ein Restdünndarm von 100 bis 150 cm vorhanden, lag ein Kurzdarmsyndrom vor. Heute berücksichtigen Ärzt*innen beide Faktoren wobei in erster Linie die Funktion des Restdarms wichtig ist.

Wie entsteht ein Kurzdarmsyndrom? – Die Ursachen

Warum Abschnitte des Darms chirurgisch entfernt werden müssen, kann bei einem KDS unterschiedliche Ursachen haben. Im Erwachsenenalter sind häufig andere Grunderkrankungen als bei Kindern dafür verantwortlich, dass eine Darmoperation notwendig wird. Dies können u. a. sein:

  • eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (CED) wie Morbus Crohn und die damit verbundene Komplikationen wie Abszesse und Fisteln
  • eine Durchblutungsstörung des Darms beispielsweise durch einen Infarkt der Baucharterie (Mesenterialinfarkt) oder einen Volvulus. Ein Darmvolvulus bezeichnet Darmschlingen, die sich verdrehen. Da die Darmabschnitte dadurch unterversorgt werden, sterben sie ab und müssen entfernt werden.
  • ein Darmtumor • Bestrahlungen des Bauchraums aufgrund einer Krebserkrankung (Strahlenenteritis)
  • Verletzungen der Bauchorgane (beispielsweise durch Unfälle)

Kurzdarmsyndrom bei Kindern

Die häufigste Ursache für ein Kurzdarmsyndrom bei Kindern ist eine nekrotisierende Enterokolitis, kurz NEC, die vor allem bei Frühgeborenen auftreten kann. Dringen Keime in die Darmwand eines zu früh geborenen Babys ein, kann das zu einer Entzündung und zum Absterben von Darmabschnitten und dadurch zu einem Darmversagen führen. Das Kurzdarmsyndrom kann auch angeborene Ursachen haben. Das können neben Fehlbildungen der Bauchwand (Gastroschisis) auch ein Volvulus durch eine sogenannte Malrotation sein. Das bedeutet, dass die Drehung des Dünn- und Dickdarms in der Entwicklung des Embryos fehlerhaft ist.

Ein unruhiger Darm – Die Symptome des Kurzdarmsyndroms

Die Symptome des Kurzdarmsyndroms sind abhängig von mehreren Faktoren. Je nachdem, welcher Darmabschnitt entfernt wurde, wieviel Restdarm noch verblieben ist und wie lange die Operation zurückliegt, können sie unterschiedlich ausfallen. Gerade in der ersten Phase nach der Darmoperation haben Patient*innen oft starke Durchfälle, die sich entweder über den After oder einen künstlichen Darmausgang (Stoma) entleeren. Manchmal treten sie bis zu zehn oder zwanzig Mal am Tag auf. Häufig werden diese begleitet von Bauchschmerzen und Krämpfen. Zusätzlich wird die empfindliche Haut am After durch die häufigen Stuhlgänge gereizt. Der sensible Bereich kann schmerzen und sich entzünden. Übelkeit, Erbrechen oder ein Völlegefühl können ebenfalls Symptome eines Kurzdarmsyndroms sein.

Eine gezeichnete Toilette ist zu erkennen.

Besonders Durchfälle spielen beim KDS eine entscheidende Rolle. Durch die hohe Frequenz verlieren Betroffene viel Flüssigkeit. Mehr zu trinken, hilft jedoch nicht, da der Darm die Flüssigkeit nicht aufnehmen kann. Sie spült ihn eher durch, was zu zusätzlichen Durchfällen führen kann. In der Regel scheidet der Körper 100 bis 200 Milliliter Wasser am Tag über den Stuhl aus – beim Kurzdarmsyndrom können es zwischen 1,5 und 6 Liter sein. 

Neben der Flüssigkeit werden auch wichtige Mineralien und Spurenelemente ausgeschwemmt, die eigentlich über den Darm aufgenommen werden sollen.

Der verbliebene Darm kann die Nährstoffe aus der Nahrung oft nicht ausreichend nutzen, was Malabsorption genannt wird. Betroffene entwickeln daher im Verlauf ihres KDS häufig Mangelerscheinungen. Unbehandelt verlieren sie durch die Malabsorption an Gewicht, Muskelmasse und fühlen sich schwach. Die fehlenden Vitamine können unter anderem zu trockener Haut führen, die Knochenstabilität beeinträchtigen, Wassereinlagerungen in den Gelenken begünstigen und depressive Verstimmungen auslösen.

Symptome, die bei einem Kurzdarmsyndrom auftreten können:

Takeda

 

 

  • Starke Durchfälle 
  • Bauchschmerzen und -krämpfe
  • Bläbauch 
  • Blähungen
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Völlegefühl
  • Sodbrennen
  • Fettiger Stuhlgang
  • Starkes Durstgefühl
  • Gewichtsverlust
  • Schwäche
  • Muskelschwund
  • trockene Haut 
  • Beeinträgtigte Wundheilung
  • depressive Verstimmungen

 

Die Diagnose Kurzdarmsyndrom

Die Diagnose des Kurzdarmsyndroms ergibt sich daraus, welche Abschnitte bei der Operation entfernt wurden und wie sich die Aufnahmefähigkeit des verbliebenen Darms danach entwickelt. Eingeteilt wird das KDS in drei Typen. Sie geben an, wie viel Darm und welcher Abschnitt entfernt wurde. Um den Krankheitsverlauf bestmöglich beobachten zu können, sind regelmäßige Blut-, Urin- und Stuhluntersuchungen wichtig. Auch das Körpergewicht der Patient*innen wird kontrolliert.

Die drei Typen des Kurzdarmsyndroms werden grafisch dargestellt.

Das Kurzdarmsyndrom in Phasen

Wie sich das Kurzdarmsyndrom nach der Darmoperation entwickelt, ist individuell verschieden. Trotzdem gibt es definierte Verlaufsphasen, die bei der Planung einer KDS-Therapie berücksichtigt werden.

Die Hypersekretionsphase ist die erste Phase nach der Operation. Sie beginnt innerhalb von Stunden bzw. Tagen nach der Entfernung der Darmabschnitte. In dieser Zeit leiden Darmoperierte unter ständigen Durchfällen, die sich über den After oder das Stoma entleeren. Zudem sind sie sehr wässrig, wodurch Betroffene häufig viel Flüssigkeit und Elektrolyte verlieren. Nährstoffe werden in der Regel kaum aufgenommen. 

Die Adaptionsphase kann bis zu zwei Jahre nach der Darmoperation andauern. Je nachdem, welche Abschnitte verblieben sind und wie gut der übrige Darm Flüssigkeit und Nährstoffe aufnehmen kann, dauert die Adaption länger oder kürzer. Struktur und Aufbau des Darms beeinflussen diese Phase stark.

In der Stabilisierungsphase zeigt sich, wie ein Patient oder eine Patientin langfristig Nahrung zu sich nehmen kann. Das Ziel ist, eine individuelle Ernährung zu finden, die auf lange Sicht einen guten Ernährungszustand erreicht und die Lebensqualität der Patient*innen positiv beeinflusst. 

Schaubild der Stabilisierungsphase

Was ist das Kurzdarmsyndrom eigentlich?

Wie entsteht ein Kurzdarmsyndrom? – Die Ursachen

Ein unruhiger Darm – Die Symptome des Kurzdarmsyndroms

Die Diagnose Kurzdarmsyndrom